Optimismus Prime

Sören Vogelsang

26.05.2023

01. Irgendwann zu spät (3:16)
02. Schaukeln(3:40)
03. Fleck (2:58)
04. Optimismus Prime (2:49)
05. Nerd (3:28)
06. Große Freiheit (3:04)
07. In meinem Kopf (2:52)
08. Asoziale Medien (3:34)
09. Danke (3:53)
10. Salud (3:27)

Titel: Optimismus Prime
VÖ: 26.05.2023

Format: CD, MC, Vinyl, USB-Stick, Download & Stream
Genre: Songwriter-Pop
Label: pretty noice records (LC 30173)
Vertrieb: pretty noice, Edel & recordJet
EAN/GTIN: 4099885373855

Musiker*innen:
Sören Vogelsang (Gesang, A-Gitarre), Tobi Schneider (Bass, Drums, Keys, A-Gitarre, E-Gitarre), Natasha Jaffe (Cello), Daniel Oldemeier (Drums), Kai Prawitt (Drums, Percussion)

Wenn man eines über Sören Vogelsang sagen kann, dann dass er seinen eigenen Weg geht und sich trotz aller Widrigkeiten nicht unterkriegen lässt. Kaum verwunderlich, dass sein drittes Studioalbum Optimismus Prime heißt.

 

Das Erste, was einem an Vogelsangs neuen Album auffällt, ist die schier überwältigende musikalische Bandbreite: Pop, Indie, Folk, Liedermacher, Hip Hop, Country. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da das Debut Augenblick 2011 noch sehr nach eher einfachen Mittelaltermarkt-Balladen klang. Mit dem zweiten Album Fernweh schlug Vogelsang 2016 schon deutlich modernere Töne (und Texte) an und geht weg vom Mittelalter-Folk-Barden, Richtung deutschsprachiger Singer/Songwriter. Mit Optimismus Prime wird der große Schritt zur deutschen Popmusik nun vervollständigt und die musikalische Vielfalt tut dem Projekt hörbar gut.

Der Opener Irgendwann zu spät erinnert an Mumford & Sons und deren deutsche Ableger Versengold. Schaukeln vermischt Indiepop Gitarren mit pumpendem Four-to-the-floor-Rhythmus und Fleck klingt wie ein elektronischer Beat von Cro; die halb gesungenen, halb gesprochenen Lyrics tun da ihr Übriges. Der Titeltrack Optimismus Prime schließlich verbindet kongenial Country und Pop, und Vogelsang brummt im Refrain stimmlich so tief, dass man denkt, Gunter Gabriel sei zurück. Generell ist die stimmliche Bandbreite auf Optimismus Prime deutlich facettenreicher als auf den vorigen Werken.

 


Schnell ist klar: Sören Vogelsangs neues Album ist ein Plädoyer für den titelgebenden Optimismus: Dafür sich nicht an den eigenen (vermeintlichen!) Makeln zu stören „Jeder Fleck erzählt seine Geschichten […] jeder Flicken, jede Narbe, jede Macke gibt Profil“ (Fleck feat. Jonny), dafür den eigenen Weg zu gehen „Was bringt dir schon dein Segelboot, solange es am Ufer steht“ (Große Freiheit), oder dafür seine Andersartigkeit zu feiern „Ich bin ein Nerd, schreib Liebesbriefe mit Word, […] Ich bin ein Nerd, du erkennst mich an meinem Shirt“ (Nerd).

Die Songs erzählen Geschichten vom Nicht-immer-alles-auf-später-Verschieben (Irgendwann zu spät), vom Liebeskummer-Aushalten (Schaukeln), vom Trotz-allem-Weitermachen (Optimismus Prime) und vom Kampf mit den eigenen Gedanken (In meinem Kopf). Sie erzählen davon mal das Handy auszuschalten (Asoziale Medien) und sich für das Herz, statt den Verstand zu entscheiden (Salud feat. Ronja Maltzahn).
Und wie ein Ausrufezeichen hinter seiner bisherigen Karriere, die er nicht nur seiner Hartnäckigkeit, sondern auch seiner treuen Fanbase verdankt, steht der Song Danke – dafür, dass sie immer da waren und immer noch da sind.


Das ist nicht nur im übertragenen Sinne gemeint, war Augenblick 2011 doch das erste deutsche Musikprojekt, welches auf Startnext erfolgreich finanziert wurde. 2016 brachen Vogelsangs Fans bei Fernweh mit über 500 Unterstützern und knapp 22.000€ Fundingsumme erneut Crowdfunding-Rekorde und finanzierten direkt noch eine eigene Tour mit.
Logisch, dass Vogelsang Optimismus Prime, trotz Unterstützung der Initiative Musik, ebenfalls wieder seiner Crowd anvertraut – dieses Mal sogar chartrelevant.

 

Sören Vogelsang geht nicht nur in der Finanzierung seiner Musik eigene Wege. Er ist anders als die anderen und das ist bei ihm tatsächlich keine Floskel. 2007 startete er seine Karriere als unbedarfter Hobbymusiker auf der gerade erst in Deutschland gestarteten Plattform YouTube und baut sich dort schnell eine wachsende Fangemeinde auf. Es folgen die ersten Festival- und Mittelalter-Markt-Buchungen, die Zuschauerzahlen wachsen online wie offline und die Musik wird immer professioneller. Während der Pandemie stellt Vogelsang im Alleingang das Online-Festival Sofa ohne Grenzen auf die Beine, auf dem sich Bands wie Versengold, Bodo Wartke, Sarah Lesch, Götz Widmann, Dota Kehr und viele weitere die Klinke in die Hand geben. Er streamt dieses Festival live auf seinem eigenen Twitch-Kanal. Bei beiden Veranstaltungen (2021 und 2022) werden “nebenbei“ jeweils über  6.000€ Spenden für Ärzte ohne Grenzen gesammelt. Schon zwei Jahre vor der Pandemie hat Vogelsang den richtigen Riecher und fängt an live Musik auf Twitch zu streamen, was er bis heute regelmäßig macht. Mit der bis dato aufgebauten Community, kann sich der Songwriter mit seiner Online-Präsenz gut über die für viele Künstler schwere Zeit retten.

 

Nach der Pandemie konzentriert sich Vogelsang auf seine neue CD. Er arbeitet für Optimismus Prime erstmals mit dem Produzenten Tobias Schneider zusammen, der auch für die Indie-Band Hi!Spencer sowie für Mr. Hurley und die Pulveraffen verantwortlich zeichnet – eine Band die mit ihren Produktionen bereits einige Charterfolge aufweisen konnten.

 

Der mitunter bombastische Pop-Sound ist wahrer Balsam für die Ohren – vor allem, weil er es schafft, die Klippen zu umschiffen, auf die Pop-Produktionen allzu schnell laufen. Dann klingen sie zu glatt, zu groß und wollen zu viel. Schneider ist mit seiner Arbeit der perfekte Spagat zwischen großem Pop- und dem eher minimalistisch-folkigem Songwriter-Sound von Vogelsangs früheren Produktionen gelungen.

 

Optimismus Prime ist sound-technisch Lichtjahre von Vogelsangs Anfängen entfernt und schafft es dennoch wiedererkennbar zu sein. Schneider hat die Songs mit einem vollen, warmen und immer fetten Sound versehen, der trotzdem nicht überladen klingt. Herausgekommen ist dabei ein Album, das rund ist, ohne glatt zu sein, das kantig ist, ohne wehzutun, und das sich verletzlich zeigt, ohne pathetisch zu werden.